1642 – 1708
Was überflüssig ist, begehr
ich nicht zu schreiben.
Doch ist nicht unser Herz ein
steter Überfluß,
Da eine Fruchtbarkeit der
andern folgen muß?
Und was will in der Brust vor sich
gefangen bleiben?
So bald man fröhlich ist, da
wachsen und bekleiben
Die Rosen aus der Lust; kömmt
Jammer und Verdruß,
So grünt der Nesselstrauch,
der gründet seinen Fuß
Und läßt den scharfen Brand
durch keine Macht vertreiben.
Will uns das Glücke wohl, so
prangt die reife Frucht
Des Trostes um und um; doch
geht es in die Flucht,
So muß das trockne Land auch
dürre Zweige tragen.
Deswegen halt ich nit des
Herzens Wachstum auf
Und laß in Freud’ und Leid mir
selbst den freien Lauf.
Ich mag mich als ein Mensch
der Menschheit nicht entschlagen.
1642 – 1708
Es wil ein iederman geschickte
Lieder machen;
Doch wenn er einen Reim auf
seine Tafel schreibt,
So fehlt der andre Vers, der
ihm zurücke bleibt,
Und so besteht er nicht mit
seinen halben Sachen.
Biß er den Vorrath gantz mit
Kummer, Noth und Wachen
Aus allen Winckeln sucht, daß
ihm nur eins bekleibt
Darbey er selbsten zwar die
Zeit gar wol vertreibt;
Doch müssen destomehr die
andern Leute lachen.
Darum bedenckt euch wol und
nehmt die Lehren an
Die mein getreuer Sinn auff
kurtze Sätze gründet:
Folgt mir und seyd bemüht, biß
ihr auf dieser Bahn
Den kleinen Überdruß im Anfang
überwindet:
Da wil ich fröhlich seyn, wenn
ich mich rühmen kan,
Wie daß mein Fleiß sein Lob in
euren Lobe findet.
1642 – 1708
So müssen wir nunmehr uns auff
den Winter schicken
Und sol die lange Nacht
An statt der Blumen-Pracht
Das halb erfrorne Feld mit
Reiff und Eise drücken?
Der Himmel spielet schon mit
ziemlich schwachen Blicken:
Ein ieder ist bedacht,
Wie er die Fenster macht,
Und wie er allgemach kan zu
den Ofen rücken.
Nun welcher dieses sieht,
Was alle Jahr geschieht,
Der dencke doch dabey an aller
Menschen Leben,
Daß sich die junge Zeit,
Mit ihrer Liebligkeit,
Den rauhen Winter auch im
Alter muß ergeben.